(Bau-)Kunst übersetzen

Smarty: Hier z.B. haben wir ein schönes Übersetzungsbeispiel, das Queens‘ House, das noch heute in Greenwich zu bewundern ist.

Ansicht der Nordfassade des Queen's House in Greenwich
Inigo Jones, Queen’s House, 1616–1635, Greenwich.

BILDQUELLE: Wikimedia


Shorty: Hübsch. Aber was soll daran übersetzt sein?

Smarty: Im Grunde fast alles! Der Bau war für damalige Verhältnisse in England geradezu revolutionär, solche Fassaden hatte man noch nie gesehen. Schaut man sich jedoch die Paläste an, die dem Architekten Inigo Jones Modell standen, sieht man sofort, dass hier italienische Renaissance ins Englische übersetzt wurde.

Shorty: Nur das dazugehörige Wetter konnte wohl nicht mitübersetzt werden.

Smarty: Nein. Aber reden wir nicht vom Wetter, das ist ein zu ernstes Thema. Schauen wir uns lieber das Deckengemälde im Queens‘ House an.

Deckengemälde des Queen's House
Orazio und Artemisia Gentileschi, Allegorie des Friedens und der Künste, ca. 1635–1638.

BILDQUELLE: Royal Collection Trust


Shorty: Da haben wir ja zumindest ein Stück schönen blauen Himmel.

Smarty: Richtig, und inmitten dieses Himmels sehen wir eine Personifikation des Friedens, umgeben von allegorischen Darstellungen der Künste. Die dargestellten Figuren sind übrigens alle weiblich, ebenso wie die Auftraggeberin des Gemäldes, die Königin Henrietta Maria.

Detail des Deckengemäldes des Queen's House
Orazio und Artemisia Gentileschi, Allegorie des Friedens und der Künste, ca. 1635–1638, Detail.

BILDQUELLE: Royal Collection Trust


Shorty: Gut, aber was hat das alles mit Übersetzung zu tun?

Smarty: Nun ja, Henrietta Maria ließ das Deckengemälde von einem italienischen Maler anfertigen, Orazio Gentileschi, der auch beste Kontakte zu Henrietta Marias Mutter, Maria de Medici unterhielt.

Shorty: Klingt eher nach transnationaler Vetternwirtschaft…

Smarty: So könnte man es sehen. Aber wahr bleibt auch, dass Henrietta Maria und Charles I. in Kunst und Architektur kontinentaleuropäische Einflüsse förderten – zum Teil mit nachhaltigem Erfolg.

Fassade des Banqueting House
Inigo Jones, Banqueting House, London, 1619–1622.

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Deckengemälde im Banqueting House
Peter Paul Rubens, Deckengemälde im Banqueting House, 1630–1634

BILDQUELLE: Royal Collection Trust


Ansicht des Banqueting House von Innen mit Blick auf den Thron
Das Innere des Banqueting House mit Blick auf den Thron

BILDQUELLE: Wikimedia


Smarty: Das Banqueting House z.B., das bereits unter Charles‘ Vater James von Inigo Jones errichtet wurde, komplettierte Charles durch ein für damalige britische Verhältnisse riesiges Deckengemälde von Rubens.

Shorty: Inigo Jones, den hatten wir doch schon vorhin…

Smarty: Richtig, er war auch der Architekt des Queens House und schuf mit der Banqueting Hall eine der ersten Bauten mit klassischer Fassade in England. Als Inspiration diente ihm die italienische Renaissance, und sein für Zeitgenossen neuer Stil diente wiederum späteren englischen Architekten als Vorbild.

Shorty: Also eine „Übersetzung“ mit Folgen….

Smarty: Genau. Heutzutage ist das Banqueting House aber nicht als „Übersetzung“, sondern vor allem für sein Deckengemälde von Rubens bekannt. Den Auftrag für dieses Deckengemälde erteilte Charles I. an Rubens wahrscheinlich, als dieser als diplomatischer Gesandter des spanischen Königs in London war.

Shorty: Rubens als diplomatischer Gesandter? Des spanischen Königs? War der nicht aus Antwerpen?

Smarty: Geboren ist er in Siegen, gelebt hat er nachher in Antwerpen, aber zwischenzeitlich auch in Italien und kurze Zeit in Madrid. Gemalt hat er für gegenreformatorische, katholische Herrscher, aber eben auch für Charles I. in England, nachdem er zwischen Charles und dem spanischen König vermittelt hatte.

Shorty: Hmh, alles etwas unübersichtlich.

Smarty: Na ja, die Dinge sind eben etwas mehr miteinander verwoben als man so denkt. Deshalb ist es immer eine gute Idee, nach Übersetzungen Ausschau zu halten…

Weiter in der Ausstellung zu HOFKULTUR ÜBERSETZEN